Potenziale der Birke nutzen

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Fachtagung des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft informiert über die neuen Holzverwendungen der Birke für das Bauen mit Holz und die Bioökonomie in NRW

Die waldbaulichen Konzepte zur Wiederbewaldung nach Großschadensereignissen sehen eine Einbindung der Pionierbaumart Birke vor. Hat Sie das Potenzial, um künftig auch im modernen Holzbau sowie in der forst- und holzbasierten Bioökonomie eingesetzt werden zu können?

Mehr als 230 Akteure der Wertschöpfungskette Forst-Holz aus NRW, dem Bundesgebiet und europäischen Ländern, darunter 80 Teilnehmende in Präsenz, haben an der Hybrid-Fachtagung „Neue Holzverwendungen: Birke für das Bauen mit Holz und die Bioökonomie in NRW“ am 05. September 2023 im Zentrum HOLZ in Olsberg teilgenommen. Im Fokus der Veranstaltung standen die Perspektiven und Potenziale für die Verarbeitung und Verwendung der Baumart Birke als Teilaspekt einer zukünftigen Rohstoffbasis in der Wertschöpfungskette Forst-Holz und der Holzverwendung im Bauwesen.

Anlässlich der Fachtagung konnte zudem erstmals der durch das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft von Wald und Holz NRW gemeinsam mit den Waldbesitzenden und Branchenakteuren realisierte zweigeschossige Demonstrator und Ausstellungsstand für das Bauen mit der Birke in Augenschein genommen und besichtigt werden. Einen weiteren Fokus der Veranstaltung bildete der Themenkomplex „Klimafolgenanpassung Wald und zukünftige Rohstoffbasis Holz“.

Moderation der Fachtagung durch Dr. Stefanie Wieland, stellv. Leiterin des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft von Wald und Holz NRW und Leiterin des Teams Holzwirtschaft am Standort Zentrum HOLZ in Olsberg.

Die Einführung zur Veranstaltung erfolgte durch Dr. Stefanie Wieland, stellv. Leiterin des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft von Wald und Holz NRW. „Der Klimawandel und die aktuellen Waldschäden stellen den Cluster Forst und Holz vor erhebliche Herausforderungen. Dies betrifft insbesondere die Wiederbewaldung und Forcierung des Waldumbaus sowie die Anpassung der Holzindustrie an eine sich schneller als bislang prognostizierte Veränderung der Rohstoffbasis Holz“, so Stefanie Wieland.

Gleichzeitig ergäben sich im Rahmen der Transformation hin zu einer modernen, ressourceneffizienten und klimaneutralen Wirtschaft eine verstärkte Nachfrage und neue Potenziale für den Rohstoff Holz. In diesem Zusammenhang seien auch die Initiativen in Richtung neuer Baumarten, wie zum Beispiel der Birke, zu sehen. Die Erfahrungen auf den Kyrill-Flächen zeige, dass durch entsprechende Pflegemaßnahmen sägefähiges Birkenstammholz produziert werden kann.

Dr. Dominik Jochem, Thünen-Institut für Waldwirtschaft zum Thema „Nutzung der Ressource Holz – Status Quo und Perspektiven“

Dr. Dominik Jochem, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thünen-Institut für Waldwirtschaft in Hamburg, beleuchtete in seinem Vortrag den Status Quo und die Perspektiven für die Nutzung der Ressource Holz. Gemäß der Einschlagsrückrechnung des Thünen-Instituts ist der Holzeinschlag in Deutschland im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 4,0 % auf 80,7 Mio. m³ gesunken, jedoch kalamitätsbedingt weiter auf einem hohen Niveau. Insgesamt sind der Holzeinschlag und Holzverbrauch in der Vergangenheit deutlich gestiegen, die stoffliche Nutzung seit 1995 um etwa 1/3. Der Sektor Forst und Holz bildet den Stützpfeiler der Bioökonomie in Deutschland, 90% der Stoffströme zur stofflichen Nutzung in der Bioökonomie sind holzbasiert.

„Mehr als 90 % des stofflich genutzten Holzes ist Nadelholz“, betonte Dominik Jochem. Der Cluster Forst und Holz sei derzeit somit weitgehend von Nadelholz abhängig. Wichtigster Rohholzverbraucher mit einem Anteil von 55% sei derzeit die Sägeindustrie, gefolgt von der Holzwerkstoffindustrie (7%) sowie der Holz- und Zellstoffindustrie (7%). Rund 30% des Rohholzes werde überwiegend in den Privathaushalten energetisch genutzt. Der Inlandsverbrauch werde durch das inländische Aufkommen gedeckt, der Anteil des Außenhandels am Aufkommen und der Verwendung sei gering. „Deutschland lebt aktuell nicht von Holz-Ressourcen anderer Länder“ führte Dominik Jochem aus.

Das Bauwesen habe die größte Bedeutung für die Holzverwendung. Hier werden 60% des Schnittholes und 40% der Holzwerkstoffe verwendet. Kurzfristig kann es infolge des Klimawandels zu weiteren Schadereignissen und zu einer Steigerung des Nadelholzaufkommens kommen. Infolge des Waldumbaus werde das inländische Nadelholzangebot jedoch langfristig reduziert. Vor diesem Hintergrund bestehe Forschungsbedarf insbesondere für die stoffliche Verwendung von Laubholz im Bauwesen.

Vorstellung „Neue Rohstoffbasis: Birke in Nordrhein-Westfalen“ durch Heiner Heiler, Wald und Holz NRW, Zentrum für Wald und Holzwirtschaft, Team Waldbau

Heiner Heile und Norbert Tennhoff vom Zentrum für Wald und Holzwirtschaft stellten unter dem Titel „Neue Rohstoffbasis: Birke in Nordrhein-Westfalen“ vor allem die waldbaulichen, aber auch wirtschaftlichen Aspekte der Pionierbaumart vor.

Insgesamt seien in NRW durch Sturm, Dürre und Borkenkäferkalamität eine Schadfläche von 142.000 ha entstanden, was einer Fläche von rund 200.000 Fußballfeldern entspreche, so Heiner Heile. Auf diesen Kalamitätsflächen sei im Rahmen der anstehenden Wiederbewaldung von einer deutlichen Zunahme des Birkenanteils auszugehen. Die aktuellen Herausforderungen eines klimaangepassten Waldmanagements zur Vitalisierung und Stabilisierung der Wälder durch aktive Waldpflege erfordere das Zusammenspiel aller Akteure der Wertschöpfungskette Forst-Holz.

„Vor dem Wald kommt der Vorwald“ betonte Heiner Heile und beschrieb so die Einbindung der Birke in das Konzept der Wiederbewaldung sowie als Misch- und Begleitbaumart in einer Vielzahl von klima- und standortangepassten Waldentwicklungstypen des Waldbaukonzepts NRW.

Dabei empfahl der Forstexperte die durch die Birken geprägten Bestände nicht sich selbst zu überlassen, sondern im Zuge einer Vornutzung waldbaulich zu pflegen, da starke Hochdurchforstungen das enorme Wachstum der Birke in den ersten 20 Lebensjahren in hohem Maße begünstigten. Das Ziel für diese Art der Vorwaldbewirtschaftung sei eindeutig das Stammholz, das auch in relativ kurzen Umtriebszeiten mit wirtschaftlichen Durchmessern erzielt werden könne. Dabei verwies er auf eine Modellstudie der FVA Baden-Württemberg (Quelle: ForstBW, 2018), wonach die Birke den Vergleich mit der Baumart Fichte hinsichtlich des Kapitalwertes und der Annuität nicht scheuen müsse.

Information zur waldbaulichen Behandlung von Birken-Vorwald durch Norbert Tennhoff, Wald und Holz NRW, Zentrum für Wald und Holzwirtschaft, Team Waldbau

Norbert Tennhoff stellte das Konzept und die Empfehlungen zur waldbaulichen Behandlung eines Birken-Vorwaldes vor, welcher die Einbringung von Halbschatten- und Schattenbaumarten unter dem lockeren und schützenden Kronendach der Birke ermöglicht.

Hierzu erfolge ab einer Oberhöhe des Birkenbestands von 9 bis 10 m und einem Brusthöhendurchmesser (BHD) von 8 bis 10 cm die Auswahl von 50 bis 80 „Z-Bäumen“ (Zukunftsbäumen) pro ha. Im Rahmen der weitern Pflegeintervalle bis zu einer Oberhöhe von ca. 15 m gelte es die spezifischen Eigenschaften der Birke zu beachten. So müsse mit einer stark abnehmenden Reaktionsfähigkeit der Birkenkronen ab einem Alter von (15) 20 Jahren gerechnet werden. Je nach Standort können im Rahmen der Vorwaldbewirtschaftung bei einem Bestandsalter von 60 Jahren Zieldurchmesser zwischen 45 und 50 cm in erreicht werden.

Eberhard von Wrede, stellv. Vorsitzender des Waldbauernverbands NRW in der begleitenden Podiumsdiskussion zum Thema „Klimafolgenanpassung Wald und zukünftige Rohstoffbasis Holz“

Eberhard von Wrede, stellv. Vorsitzenderdes Waldbauernverbands NRW, betonte die Rolle des Privatwaldes für die Wertschöpfungskette Forst-Holz in Nordrhein-Westfalen, der mit rund 600.000 ha 64% der Gesamtwaldfläche ausmache. Die seit 2018 andauernde Großkalamität habe die Waldbesitzenden finanziell und emotional schwer getroffen, wodurch eine Passivität bei vielen Waldbesitzenden zu beobachten sei. „Wir müssen uns alle Mühe geben, um den Walbesitz zu aktiver Waldbewirtschaftung zu motivieren“, betonte Eberhard von Wrede. Um die Herausforderung der Wiederbewaldung von 142.000 ha Kalamitätsfläche in NRW zu bewältigen, regte er als zusätzliches Fördermodul die Initialpflanzung von 400 bis 600 klima- und standortangepassten Hauptbaumarten pro ha im Zusammenspiel mit der Wiederbewaldung durch Pionierbaumarten an.

In Bezug auf die aktuelle Diskussion zur Flächenstilllegung führte Eberhard von Wrede aus: „Aktive Waldbewirtschaftung bedeutet für den privaten Waldbesitzer aufzuforsten und zu verjüngen, Bestände zu pflegen, inklusive der Birke, Holz wertschöpfend zu ernten und den Sägewerken zur Verfügung zu stellen“. Die Produktion von Nadelstammholz sei auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil der wertschöpfenden Holzverwendung. Aufgrund der Großschadensereignisse könnte die Birke in den nächsten Jahren in NRW einen Anteil von bis zu 20% erreichen. „Diese 20% müssen wir sinnvoll nutzen“, so Eberhard von Wrede. Neben sägefähigem Birken-Stammholz gehörten hierzu aber auch die anfallenden Koppelsortimente sowohl für die stoffliche als auch die energetische Nutzung.

Lars Schmidt, Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband (DeSH) referierte zum Thema „Neue Rahmenbedingungen für Holzprodukte“

Lars Schmidt, Generalsekretär des Vorstands und Hauptgeschäftsführer Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband (DeSH), hob hervor, bei der Diskussion über den Wald der Zukunft die aktuelle Waldgeneration nicht zu vergessen und beim Waldschutz und insbesondere beim Kalamitätsmanagement effizienter zu werden. Dies sei für die Säge- und Holzindustrie die entscheidende zeitliche Perspektive.

Langfristig werde jedoch weniger Nadelholz zur Verfügung stehen. „Die Delle wird kommen und wir müssen die Zeit nutzen, um aus auf eine neue Rohstoffbasis einzustellen“, so Lars Schmidt. In Bezug auf die zukünftigen Baumarten betonte er die daraus zu produzierenden und neuen Holzprodukte auch wettbewerbsfähig zu machen. Die aktuelle Abhängigkeit vom Nadelholz habe sich aufgrund der Nachfrage des Marktes ergeben. In Zukunft werde auch weiterhin Nadelholz benötigt. Deshalb sei es gut, dass in den Walbaukonzepten neue Nadelbauarten wie z.B. die Tanne und Douglasie einen Fokus bildeten und die Fichte nicht ausgeklammert werde. Dies ermögliche es den Betrieben auch weiterhin Nadelholzprodukte auf den Markt zu bringen.

Eröffnung des Demonstrators zum Bauen mit der Birke im Zentrum HOLZ in Olsberg (v.l.n.r. Prof.-Dr. Ing. Thomas Uibel, Prof.‘in Katja Frühwald, Gesa Wolf, Dr. Stefanie Wieland, Eberhard von Wrede und Heiner Heile)

Es bestehe ein absoluter Konsens zum Aufbau von klimaangepassten und vielfältigen Mischwäldern. Dabei gelte es jedoch ein kleinteiliges Rohholzangebot zu vermeiden. „Je kleinteiliger das Angebot wird, desto schwieriger gestalten sich Zulassung, Produktion, Markteinführung und Wettbewerbsfähigkeit der neuen Holzprodukte. Es ist deshalb notwendig, sich auf ein bestimmtes Spektrum von Wirtschaftsbaumarten zu einigen“, so Lars Schmidt.

Die derzeitige politische Diskussion und Waldpolitik zur Flächenstilllegung verlaufe konträr zum Wunsch nach mehr Holzverwendung. Die Säge- und Holzindustrie benötige hier Planungssicherheit, um Investitionen auch für die Verarbeitung neuer Baumarten wie z.B. der Birke tätigen zu können. Verlässliche politische Rahmenbedingungen für den Wald der Zukunft fehlten sowohl auf Landes- und Bundes- als auch auf EU-Ebene.

In Bezug auf die Chancen für Wertschöpfungskette Forst-Holz betonte er die Materialwende, die derzeit noch zu wenig diskutiert werde. Enorme Potenziale biete zudem die Modernisierung des Gebäudebestands. Schon jetzt erfolge hier 2/3 der Holzverwendung im Bauwesen. Insgesamt müsse die Holzverwendung breiter und umfassend gedacht werden. Hierzu zähle es zum Beispiel beim Laubholz bereits seit langem bekannte Verwendungen, die derzeit durch Materialmitbewerber besetzt werden, wieder zu etablieren. Verwendungen auf Molekular- und Faserebene böten neue Potenziale für das Sägerestholz. Zudem gelte es den Rohstoff Holz nocheffizienter durch den Einsatz moderner Technologien zu verarbeiten. „Ressourceneffizienz ist ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor“, betonte Lars Schmidt.

Prof.‘in Katja Frühwald-König, TH Ostwestfalen-Lippe, informierte über die technischen Eigenschaften der Birke und den Einsatz im Ingenieurholzbau.

Prof.‘in Katja Frühwald-König von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Fachbereich Produktions- und Holztechnik, beschrieb in Ihrem Vortrag die technischen Eigenschaften der Birke im Ingenieurholzbau und den aktuellen Stand der Normung. Danach sei das Biege-E-Modul der Birke mit 14.000 N/mm2 vergleichbar dem der Buche, wobei dieser Mittelwert an fehlerfreien Kleinproben gemessen wurde. Bei der Zug- und Druckfestigkeit liegt die Birke ebenfalls gleichauf mit der Buche und zeigt auch hier signifikant höhere Werte im Vergleich zur Fichte, deren Biege-E-Modul bei 11.000 N/mm2 liegt.

Grundsätzlich sei eine Herstellung von Brettschichtholz (BSH) aus NRW-Birke also möglich, so Katja Frühwald-König. Allerdings fehle die Holzart Birke bislang sowohl in der harmonisierenden Norm für Bauschnittholz (EN 14081) als auch in den Prüfungs- und Auswertungsnormen für die visuelle und maschinelle Sortierung (EN 408, EN 384). Dies habe zur Konsequenz, dass derzeit keine Einstufung in die Festigkeitsklassen nach EN 338 möglich sei und somit in Europa kein Birken-BSH oder Birken-BSP nach Norm hergestellt werden könne.

Die Untersuchungen zeigten jedoch sehr gute bis gute Holzqualitäten der Birke (v.a. in Bezug auf Astigkeit, Faserverlauf, Risse, Krümmung), die sich bei entsprechenden Mindestmengen aus dem Stammholz gewinnen lassen. Entsprechend stünde aus technischer Sicht der Nutzung von Birken- Brettschichtholz (BSH) und Birken-Brettsperrholz (BSP) nichts im Wege. Allerdings müsste die interdisziplinäre Forschung im Hinblick auf die Waldbehandlung und die daraus resultierenden Rundholzeigenschaften und Ausbeuten noch intensiviert und der Weg in die Normen bereitet werden.

Prof. Dr.-Ing. Thomas Uibel berichtete über das Studierenden-Projekt „Realisierung des Bauvorhabens Zweigeschossiger Ausstellungsstand Birke“ der FH Aachen

Prof. Dr.-Ing. Thomas Uibel vom Fachbereich Bauingenieurwesen der FH Aachen stellte die Realisierung des Bauvorhabens „Zweigeschossiger Ausstellungsstand Birke“ durch die Studierenden im Studiengang Holzingenieurwesen vor. Im Rahmen der Projektarbeit zum Modul „CAE – Holzbautechnologie“ haben die Studierenden der FH Aachen einen funktional und architektonisch ansprechenden Prototyp und Demonstrator zum Bauen mit der Birke entworfen, berechnet und realisiert. Ziel des Demonstrators ist es, die Potenziale von aus NRW stammender Birke für das Bauen mit Holz aufzuzeigen.

Das zweigeschossige Gebäude, dessen Tragwerk zu großen Teilen aus Birken-Brettschichtholz (BSH) besteht, ist sowohl in Bezug auf die konstruktive Lösung als auch das Bauvolumen als respektabel zu bewerten. Der im Rahmen der Fachtagung eröffnete Ausstellungsstand unterstützt den Wissenstransfer durch das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft zur Holzverwendung im Bauwesen und kann im Holzbau-Pavillon des Zentrum HOLZ in Olsberg besichtigt werden.

Projektvorstellung „Neubau der Kreisverwaltung Mainz-Bingen“ durch Dr.-Ing. Jochen Stahl, Ingenieurbüro Fast + Epp, Darmstadt

Dr.-Ing. Jochen Stahl, geschäftsführender Gesellschafter des Ingenieurbüros Fast + Epp aus Darmstadt, stellte als Best-Practice Beispiel zum Bauen mit der Birke den Neubau der Kreisverwaltung Mainz-Bingen vor. Das ursprünglich in Stahlbetonbauweise geplante und in Holz-Hybridbauweise errichtete viergeschossige Bürogebäude weist eine Bruttogrundfläche (BGF) von 16.682 m² auf. Aus der ursprünglichen Planung wurden die Betonkerne bzw. Treppenhäuser, Brandschutzwände und Parkbereiche übernommen. Einfach und materialgerecht wurden Gabelstützen und Unterzüge aus Brettschichtholz (BSH) der Holzart Birke mit Deckenelementen aus Brettsperrholz (BSP) der Holzart Fichte nach dem Baukastenprinzip zu einem modularen Gebäude zusammengefügt. Leitdetails und Konstruktionsprinzipien wurden so gewählt, dass eine Flexibilität und Rückbaubarkeit des Gebäudes gegeben ist.

„Not macht erfinderisch“, so Jochen Stahl. Der Grund für die Auswahl der BSH-Elemente der Baumart Birke waren der zum Zeitpunkt der Umsetzung des Gebäudes hohe Preis und die mangelnde Verfügbarkeit von Fichten BSH-Elementen. Hasslacher Norica Timber konnte kurzfristig Birken BSH-Elemente mit der erforderlichen Europäischen Technischen Bewertung (European Technical Assessment – ETA) liefern. Das Modulare Konstruktionsprinzip aus Birken BSH-Elementen wurde zudem mit Landesmitteln gefördert.

Als „Lessons Learnd“ führte Jochen Stahl aus: Birken-BSH ist eine sehr gute Alternative für Holz-Skelett-Konstruktionen. Birken-BSH besitzt eine hohe Tragfähigkeit und ein vorteilhaftes Abbrandverhalten, wobei im Vergleich zur Fichte schlankere Querschnitte ausgeführt werden können. Der Holzbau kann auch heute im Preiswettbewerb bei großen Gebäuden standhalten.

Dipl-Ing. David Obernosterer und Dipl.-Ing. Georg Jeitler, beide Mitarbeiter der HASSLACHER Gruppe, in der Diskussion zum Themenblock des Nachmittags (v.l.n.r.).

Die Experten der HASSLACHER Gruppe, Dipl-Ing. David Obernosterer (Forschung & Entwicklung) und Dipl.-Ing. Georg Jeitler (Leiter Qualität & Innovation) berichteten über die Motivation und Erfahrung innerhalb Ihres Unternehmens, die Holzart Birke näher zu betrachten und für lastabtragende Holzbauteile wie Brettschichtholz (BSH) und Brettsperrholz (BSP) nutzbar zu machen. Hierzu wurden durch die HASSLACHER Gruppe Versuche und Untersuchungen am Institut für Holzbau und Holztechnologie der Technischen Universität Graz und an der holz.bau forschungs gmbh durchgeführt. Eine allererste Anwendung erfolgte bereits in 2012 nach einer Kleinserie an Versuchen beim Projekt „Massive Living“, einem mehrgeschossigen Wohnbau in Graz. Die HASSLACHER Gruppe mit Stammsitz in Sachsenburg, Österreich ist mittlerweile auch mit einem Sägewerksstandort in Südwestfalen vertreten.

Georg Jeitler stellte hierzu das eingesetzte Rohmaterial, die Ergebnisse der Festigkeitssortierung der Probekörper, Zugprüfungen an Brettware, Festigkeitsuntersuchungen an der Keilzinkenverbindung sowie ausgewählte Untersuchungen zu den Festigkeitsprofilen von Birken-BSH und Birken-BSP vor. Dies umfasste auch die Versuche zur maschinellen Sortierung der Rohware, Zugprüfungen an sortierter Brettware sowie Biegeprüfungen an Brettschichtholz zur Erlangung einer Europäischen Technischen Bewertung ETA-19/0031 für Brettschichtholz aus Laubholz unter dem Handelsnamen „HASSLACHER BSH Birke“. Zudem wurden ausgewählte Projekte zum Bauen mit Birken-BSH und Birken-BSP zu Wohngebäuden und Hallenbauten vorgestellt.

„Birke im Holzbau – It´s a match“, Vortrag durch Dipl-Ing. David Obernosterer HASSLACHER Gruppe

Anhand der Idee der sog. „Stäbchenlamelle“ demonstriere David Obernosterer, wie durch entsprechende Verarbeitungsverfahren aus Vollholzlamellen effizient und mit hoher Ausbeute homogenisierte Stäbchenlamellen als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Brettschichtholzträgern produziert werden können. Auch hierzu stellte er die durch die HASSLACHER Gruppe durchgeführten Untersuchungen vor. Als weitere Potenziale für den Einsatz der Birke nannte er die Kombination von Birke und Nadelholz als Hybrid-Brettschichtholz (BSH). Die Birke könne so noch effizienter eingesetzt werden, der Hybrid-BSH-Träger sei leichter und günstiger als ein reiner Birkenträger und weise gleichzeitig bessere mechanische Eigenschaften als BSH aus Nadelholz auf.

„Birke im Holzbau – It´s a match“, schloss David Obernosterer seinen Vortrag. Die Birke zeige erhebliche Vorteile in Bezug auf die mechanischen Eigenschaften, Abbrandrate und Verarbeitbarkeit. Als nächsten Schritt werde die Hasslacher Gruppe die ETA für die Stäbchenlamelle und den Hybrid-Brettschichtholz-Träger beantragen.

Michael Kern, RIGA Wood GmbH in der Diskussion zum Themenblock des Nachmittags

Michael Kern von der RIGA Wood GmbH stellte die aktuellen Forschungsprojekte und Anwendungen von biobasierten Koppelprodukten des auf die Produktion von Birkensperrholz spezialisieren Unternehmens Latvijas Finieris vor. Das mit Stammsitz in Lettland ansässige Unternehmen ist mit Werken in den baltischen Ländern und Finnland vertreten und hat zwischenzeitlich neue und zusätzliche Kompetenzen für die Nebenprodukte der Birke entwickelt. Das Unternehmen beteiligt sich zudem aktiv an der Waldbewirtschaftung und an Baumschulen und entwickelt forstwirtschaftliche Konzepte für die Produktion der Ressource Birke.

Michael Kern betonte die wirtschaftliche Bedeutung der Birke in der Ostseeregion. Derzeit liegt der Vorrat der Birke in Schweden, Finnland und den baltischen Ländern bei rund 1 Mrd. m³, der jährliche Birkeneinschlag in dieser Region bei 20 Mio. m³. Im Baltikum und Finnland wird der Rohstoff Birke in großen Mengen in der Sperrholzindustrie verwendet, es haben sich hier eine große Anzahl namhafter Hersteller etabliert.

Zu den aktuellen Innovationen des Unternehmens zählt ein neuer biobasierter Leim auf Lignin-Basis als Ersatz von auf Öl und Phenolrohstoffen basierten Leimen. Ziel des Unternehmens sei es, bis 2050 vollständig auf die Verwendung fossiler Ressourcen in der Produktion zu verzichten. Hierzu arbeitet das Unternehmen mit weiteren Akteuren in einem internationalen Forschungskonsortium zusammen.

Betulin ist ein wertvoller Extrakt aus der Birkenrinde. Mit dem in 2022 eröffneten Betulin Lab erfolgt die Weiterentwicklung von Anwendungsmöglichkeiten im Bereich von Pharmazie, Kosmetik und Nahrungsmitteln. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Suberinsäuren, einem weiteren Inhaltsstoff der Birkenrinde. Durch den Einsatz von Suberinsäuren kann zukünftig ein vollständig biobasierter Leim zur Herstellung von Sperrholz verwendet werden.


Bildquelle: PK-Media Consulting GmbH